27. Juli 2021

Barrierefreiheit: Was bedeutet das genau?

Laut einer Studie leben rund 20% aller Menschen mit einer Beeinträchtigung. Digitale Produkte und Dienstleistungen prägen den heutigen Alltag und werden auch von Menschen konsumiert und verwendet, die mit einer Beeinträchtigung leben. Die digitale Barrierefreiheit setzt sich zum Ziel, dass alle Menschen Zugang zu sämtlichen digitalen Produkten und Dienstleistungen erhalten.

Unsplash

Eine kurze Definition

Digitale Barrierefreiheit beschreibt den Grad der Zugänglichkeit eines digitalen Systems, beispielsweise einer Website. Je höher die Barrierefreiheit, desto mehr Menschen können das System nutzen. Ein digitales System ist dann barrierefrei, wenn es von allen, unabhängig von ihren Einschränkungen oder technischen Möglichkeiten, ohne Einschränkungen genutzt werden kann.

Standards der digitalen Barrierefreiheit

Unterschiedliche nationale und internationale Gesetze und Regelungen versuchen die digitale Barrierefreiheit zu fördern und weiterzuentwickeln. Dazu gehören das Behindertengleichstellungsgesetz im Bundesgesetz, die eEurope-Initiative der Europäischen Union und schliesslich auch die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).

Die WCAG werden vom World Wide Web Consortium herausgegeben, ein Gremium, welches sich mit der Standardisierung der Techniken im World Wide Web befasst. Das Ziel der Guidelines, die im Mai 1999 zum ersten Mal publiziert wurden, ist ein internationaler Standard zur barrierefreien Gestaltung von Webinhalten zu schaffen. Zudem soll die WCAG ein einheitliches Verständnis von digitaler Barrierefreiheit erzeugen, ein zentraler Aspekt einer so neuen Disziplin. Die Erfüllung der WCAG stellt sicher, dass digitale Inhalte für alle nutzbar sind. Dabei werden drei Konformitätsstufen vorgegeben: A, AA und AAA. Webseiten des Bundes müssen seit 2010 die Konformitätsstufe AA erfüllen.

Digitale Barrierefreiheit in der Praxis

Nach der Klärung des Begriffs und der Darlegung der wichtigsten Standards, wenden wir uns der digitalen Barrierefreiheit in der Praxis zu. Grundsätzlich ist an dieser Stelle zu bemerken, dass der Begriff «Barrierefreiheit» auch nicht-digitale Produkte und Anwendungen betrifft, beispielsweise das hindernisfreie Bauen im öffentlich Raum oder Theateraufführungen mit Audiobeschreibung für Personen mit einer Sehbeeinträchtigung. Die semabit entwickelt ausschliesslich digitale Lösungen und Produkte, wie beispielsweise Websites und Apps. Deshalb wird in diesem Blogartikel der Fokus auf die Barrierefreiheit digitaler Produkte gelegt.

Grundsätzlich existieren vier unterschiedliche Barrieren, wenn von digitaler Barrierefreiheit gesprochen wird:

  1. Visuelle Barrieren
    Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung benötigen Alternativen für visuelle Informationen, beispielsweise in der Form von Bildbeschreibungen. Bei der Gestaltung eines digitalen Produktes muss ebenfalls darauf geachtet werden, dass gewählte Farben und verwendete Kontraste von möglichst vielen Menschen problemlos aufgenommen werden können.
  2. Auditive Barrieren
    Personen mit einer Hörbeeinträchtigung können unterstützt werden, wenn beispielsweise Videos mit einer Gebärdensprache-Übersetzung versehen werden. Grundsätzlich geht es hier darum, dass gesprochene Informationen für alle Nutzer:innen zugänglich sind.
  3. Motorische Barrieren
    Hat eine Person eine motorische Beeinträchtigung, kann sie unter Umständen die Tastatur oder die Maus nicht ausreichend bedienen. Websites und andere digitale Produkte sollen über einen Modus verfügen, in dem mit einfachen Tastaturkombinationen Befehle ausgeführt werden können. Gleichwohl ist es auch wichtig, dass grafische Elemente auf den Screens gross genug sind, dass sie mit einer Maus oder einem anderen Gerät problemlos zu bedienen sind.
  4. Kognitive Barrieren
    Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung wird geholfen, wenn ein digitales Produkt Informationen in leichter Sprache enthält. Leichte Sprache ist eine sprachliche Ausdrucksweise des Deutschen, in der kurze Sätze verwendet werden, die pro Satz nur eine Aussage umfassen. Ein weiterer Aspekt ist die Wichtigkeit nutzerorientierter Darstellung. Hier geht darum, sich in die Lage der Nutzerin des digitalen Produktes zu versetzen, um die grafische Benutzeroberfläche so zu gestalten, dass diese ohne Einschränkung ihr Ziel erreichen kann.

Die Vorteile der digitalen Barrierefreiheit

Je höher die Barrierefreiheit eines digitalen Produktes angestrebt wird, desto grösser ist der Projektaufwand. Es muss mit einer längeren Entwicklungszeit und mit höheren Kosten gerechnet werden. Jedoch sind wir überzeugt, dass sich dieser Mehraufwand aus folgenden Gründen lohnt:

  1. Bessere User Experience
    Grundsätzlich wird die User Experience des digitalen Produktes für alle Nutzer:innen stark erhöht, auch für Personen ohne Beeinträchtigung.
  2. Für Suchmaschinen optimiert
    Suchmaschinen können eine barrierefreie Website besser aufsuchen und indexieren, da die Inhalte logisch und klar strukturiert sind.
  3. Geräteunabhängig
    Ein Nebenprodukt der digitalen Barrierefreiheit ist, dass die Geräteunabhängigkeit gewährleistet wird: Es sollen möglichst viele unterschiedliche Endgeräte verwendet werden können, um die Vielfalt der Nutzer:innen gerecht zu werden.
  4. Zielgruppe besser ausschöpfen
    Mehr Menschen zu erreichen ist ein grundlegendes Ziel vieler digitaler Produkte. Je höher die Barrierefreiheit ist, desto ausgiebiger kann die Zielgruppe ausgeschöpft werden.
  5. Positives Image
    Nebst der rechtlichen Anforderung, Menschen mit einer Beeinträchtigungen zu in­klu­die­ren, besteht diesbezüglich auch eine ethische Pflicht, welche meist weitreichender ist als das Gesetz. Wird ein digitales Produkt in Bezug auf die Barrierefreiheit so gestaltet, dass es mehr erfüllt als das gesetzliche Minimum, so vermittelt das Produkt ein positives Image.

Aus diesen Gründen setzen wir auf die digitale Barrierefreiheit und empfehlen Ihnen, es auch zu tun. Wir können Sie unterstützen, Ihr digitales Projekt barrierefrei zu gestalten, damit es für alle Personen zugänglich ist und von allen einwandfrei benutzt werden kann.

Andreas Gugolz
Ihr Anpsrechpartner
@andreas.gugolz